Theateraufführung in der BallinStadt

Ein Kooperationsprojekt mit dem Auswanderermuseum BallinStadt Hamburg und der umdenken Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg e.V.


Es war die letzte Aufführung in Deutschland!

Die Jugendtragöde wurde am 10.02. letztmalig in dem Auswanderermuseum BallinStadt Hamburg aufgeführt.

Im Anschluss an die Aufführung gab es in Kooperation mit „umdenken“ - Heinrich-Böll-Stiftung Hamburg e.V. (gefördert durch die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg) eine offene Debatte, die das Gesamtprojekt hinterfragte und zudem auf die Rolle der Mädchen einging. Im Zentrum standen bisher nämlich nur die Radikalisierungsgeschichten der drei Jungs, wobei die weiblichen Nebenfiguren Rebekka und Yeter nur zur Zuspitzung der Tragödie beitrugen. 



Aufführung im Auswanderermuseum

Ein Bericht von Max Fluder


Hals-, Bein- und Magenbruch 

Am 10.02. inszenierte der Theaterkurs Bouden aus dem 4. Semester vom Helmut-Schmidt-Gymnasium das Werk „Kein Deutscher Land“ - ein stimmiges Spektakel, das nicht nur das Publikum begeisterte. 

 

Der Raum ist brechend voll. Es müssen sogar extra Stühle herangeholt werden, um zu vermeiden, dass die Gänge blockiert sind. Trotz der eisigen Kälte draußen ist es drinnen angenehm warm; der Atem der vielen Menschen macht es aus. Jeder Quadratzentimeter scheint besetzt. Ja, gemessen an den Zuschauermassen, die sich ins Haus 1 des Auswandermuseums begeben haben, kann man die Aufführung von „Kein Deutscher Land“ am 10.02. nur einen vollen Erfolg nennen. Von dem tosenden Applaus am Ende der Aufführung und dem durchweg positiven Rückmeldungen nach der Show ganz zu schweigen. 

Am zweiten Samstag im Februar hat der Theaterkurs der S4 unter Anleitung von Herrn Bouden das selbstentwickelte Stück nun zum dritten Mal in Hamburg aufgeführt. Diese Inszenierung steht aber unter einem besonderen Stern: Zunächst ist der Aufführungsort, die Ballinstadt, eine besonders ansehnliche und zugleich fordernde Bühne für das Ensemble, das den gläsernen Boden regelrecht zum Vibrieren brachte. Perfekt fügt sich die Geschichte von Emigranten, die hier erzählt wird, in das Stück ein und untermalt die Ankunft der Gastarbeiter im vergangenen und die Ankunft der Flüchtlinge im jetzigen Jahrhundert im Spiel. Darüber hinaus ist dies die erste vollständige Aufführung des Werks unter alleiniger Besetzung der S4.

 

„Kein Deutscher Land“, von und mit Schülern unterschiedlichsten Alters entwickelt, sollte ursprünglich eine Komödie über das „Deutsche“ werden. Von den Kleinsten bis zu den Größten am Helmut-Schmidt-Gymnasium wurden Texte und Briefe gesammelt, was sie mit dem Thema verbinden. Mit dem Ergebnis dieser Stoffsuche ließ sich jedoch kaum lustiges Theater gestalten, so erschreckend war das Empfinden der Schüler teilweise.

Die Schriften strotzten vor traurigen Erfahrungen, Ausgrenzung und traumatischen Erlebnissen und Kontakten, die den Nährboden für die entstandene Tragödie bilden. Ein Stück über die Radikalisierung kam heraus und nun verfolgen wir die tragischen Wege von Patrick, Salim und Emil, die sie an den Rand der Gesellschaft treiben und gewaltverherrlichende Phantasmen auslösen. 

 


Genauso schwerwiegend wie der Stoff der Handlung, war auch das Einnehmen der Rollen durch den Theaterkurs. Nur durch etliche Probestunden, Extra-Einsätze der meisten Schüler und dem ein oder anderem Disput mit Herrn Bouden konnte das Ensemble auf seine Leistung getrimmt werden. Unzählig waren die Textpatzer, verpassten Einsätze und misslungenen Inszenierungen während den Unterrichtsstunden und brachten damit den Kurs und den Lehrer an den Rand der Verzweiflung. 

Zum Glück sollten dies aber alles nur Vorboten einer glänzenden Aufführung werden, die den Kurs nur noch enger zusammenschweißten. Als der Saal dann gefüllt war und nun wirklich jeder Schritt auf der Bühne zählte, haben sich die Schüler zusammengerissen und ein geschliffenes Endprodukt präsentiert. Die Aufregung war groß und verleitete hier und dort zwar zu Patzern; das schauspielerische Können war aber größer und die Fehler wurden galant überspielt, so dass sie nur Kennern von „Kein Deutscher Land“ ins Auge fielen. Die Sprechrollen waren auf dem Punkt und hinterließen mit der ungewohnten Kulisse einen tiefen Eindruck beim Zuschauer. Der Chor machte sich den kompletten Raum zunutze und erfüllte ihn mit seinen teils vorwurfsvollen, teils beängstigenden Sätzen.

 


Wer aber an dem Abend über sich selbst hinauswuchs, waren die Hauptrollen. Patrick (Sadin K.) übertrug seine Erfahrungen am Rand der Gesellschaft mit solchem Pathos an das Publikum und empfand, entgegen seiner rechtsradikale Gesinnung, große Gefühle für Yeter, der Aleyna A. mehr als nur Leben einhauchte.

Der Star des Abends war aber Dogukan Z., der mit seinen Schreien und brutalen Gesten nicht nur dem Publikum sondern wahrscheinlich auch sich selbst Angst einflößte. Und das alles trotz einer Übelkeitsattacke nur fünf Minuten vor Beginn der Aufführung.  Der Beifall ließ nicht auf sich warten und das trotz einer miserablen Akustik. 

 

Das i-Tüpfelchen auf dem jetzt schon gelungenen Abend war die Diskussionsrunde initiiert von der Heinrich-Böll-Stiftung. Das Publikum und die Schüler zeigten reges Interesse, über das problematische Thema der Radikalisierung zu diskutieren. Dabei wurde unter anderem das Bild zerstört, nur da man in seiner Rolle als ungebildet daherkommt, trifft das auch im Leben zu. Ilayda sorgte mit ihrem Beiträgen nicht nur für große Zustimmung bei den Zuschauern; sie gab auch Anreize für andere, sich zu beteiligen. Neben intellektuell hochtrabenden Beiträgen sollte aber auch die emotionale Seite nicht geschont werden: Der Mut eines geistig-beeinträchtigten Menschen, sich zweimal ans Mikrofon zu stellen und seine wohlbegründete Meinung abzugeben, sorgte für großen Applaus. 

 

Nach einem solchen Abend kann man dem Produzenten, Lehrer, Lichtingenieur und Motivationscoach Bouden nur beglückwünschen. Nicht zuletzt sein riesiges Engagement und sein noch größeres Ohr für die Schüler ermöglichten eine solch gelungene Aufführung. Aber auch er bekam ein gerechtes Lob seiner Schützlinge in Form eines Blumenstraußes, Schokolade und einer kleinen Rede. Bewunderung geht halt über alle Sinne. Nach einer solchen Leistung kann man dem ganzen Projekt aber nur viel Erfolg auf der anstehenden Reise nach Israel wünschen, wo das Stück ebenfalls aufgeführt werden soll.